Luristanbronzen

Luristanbronzen
Luristanbronzen
 
[-brɔ̃ːsən], Sammelbezeichnung für figürlich geschmückte Metallarbeiten (meist Bronze), die ab 1930 im Kunsthandel auftauchten und angeblich alle aus der westiranischen Provinz Loristan stammen. Das Fundgebiet zwischen Elburs und Zagrosgebirge ist nur vage zu umreißen (Raubgrabungen). Bei den Luristanbronzen handelt es sich um Pferdetrensen, Zieräxte, Wetzsteine, Schilde, Waffen (Dolche, Schwerter), Nadeln, Standartenaufsätze, Kleinplastik (Oranten), Beschläge, Gefäße u. a.; es sind v. a. Grabbeigaben sowie Kultgerät und Weihegaben aus Tempeln (Surkh-e Dum). Als Luristanbronzen im engeren Sinn kann man die eisenzeitlichen Arbeiten vom 8. bis 7. Jahrhundert abgrenzen. Andere Gruppen werden der Bronzezeit zugerechnet; die Zuschreibungen sind zum Teil umstritten. Bei den eisenzeitlichen Arbeiten ist von einem Zustrom von neuen Bevölkerungselementen auszugehen (wohl Kimmerier und Meder). Für die Luristanbronzen der frühen Eisenzeit ist ein Tierstil mit fließenden und geschwungenen Formen charakteristisch; verarbeitet sind Einflüsse u. a. aus Mesopotamien und Urartu. Häufig ist das Kompositionsprinzip der antithetischen Gruppe, gebildet aus teils naturalistischen, teils grotesk verzerrten Tieren wie Steinbock, Löwe, Pferd, Widder, Stier und Fabelwesen wie Greife und geflügelte Löwen; in der Mitte zwischen den zwei Tieren steht manchmal eine menschliche Figur, ähnlich dem mesopotamischen Motiv des Gilgamesch; die Gruppe stellt vielleicht im Sinne der masdaist. Mythologie den Richtergott Sraoscha dar, wofür die häufig integrierten Hahnenköpfe sprechen. Auf einer Standarte hat er zwei Köpfe (vier Gesichter). Den hermaphroditischen Gott Zurvan (mit zwei Gesichtern) und an dessen Schultern die Geburt der Zwillinge Ahura Masda und Ahriman zeigt eine ziselierte Silberblechplatte (Cincinnati Art Museum) aus Surkh-e Dum, die wohl ins 8./7. Jahrhundert zu datieren ist, wie auch die Köcherbeschläge in Treibarbeit (New York, Metropolitan Museum), für deren Deutung die indische Mythologie (Vedismus) herangezogen wurde. Scheibenkopfnadeln aus Surkh-e Dum stellen meist eine Fruchtbarkeitsgöttin dar, runde Votivschilde tragen als Schildbuckel einen Kopf, vielleicht den Sonnengott Mithras. - Die Luristanbronzen sind überwiegend einseitige Stücke mit flachem Relief, zum Teil durchbrochen gearbeitet. Die einzige etwas größere vollplastische Figur (neben Götterfiguren als Standartenaufsätzen) ist ein Kriegsgott aus Puscht-e Kuh (8./7. Jahrhundert), der eine Keilschrift (um 600) trägt, die von seinem Raub und der Rückgabe an den Tempel handelt (Teheran, Archäologisches Museum). Zu den gesicherten Funden aus dem 2. Jahrtausend zählen Dolche mit babylonischen Königsinschriften des 12.-10. Jahrhunderts
 
 
P. Calmeyer: Datierbare Bronzen aus Luristan u. Kirmanshah (1969);
 P. Calmeyer: Reliefbronzen in babylon. Stil. Eine westiran. Werkstatt des 10. Jh. v. Chr. (1973);
 P. R. S. Moorey: Ancient bronzes from Luristan (London 1974);
 L. Van den Berghe: Luristan, Ausst.-Kat. (a. d. Frz., 1981).

Universal-Lexikon. 2012.

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